
Our 3 Key Take-away's
Sonderprüfungen machen Strukturen, Verantwortlichkeiten und Schwachstellen sichtbar – ein wertvoller Moment institutioneller Reflexion, der aktiv genutzt werden sollte.
Institute, die Prüfungen als reine Compliance-Pflicht behandeln, schöpfen das Potenzial nicht aus. Wer sie hingegen als strategisches Werkzeug für nachhaltige Veränderung begreift, stärkt Prozesse, IT und Governance dauerhaft
Nicht die Prüfung selbst entscheidet über Erfolg oder Misserfolg, sondern die Haltung: Proaktives Denken, strukturierte Umsetzung und eine klare Vision machen aus regulatorischem Druck einen echten Entwicklungstreiber
1 Einleitung
Wenn die Aufsicht anklopft, beginnt für viele Banken eine intensive und potenziell geschäftskritische Phase. Prüfungen durch die BaFin/Bundesbank oder die EZB – z.B. Sonderprüfungen nach §44 KWG – sind tiefgreifend, dynamisch und erfordern ein professionelles Vorgehen. Ohne eine durchdachte Strategie kann eine solche Prüfung erhebliche interne Ressourcen binden, operative Abläufe stören und zu geschäftsschädigenden Konsequenzen führen. Doch mit der richtigen Vorbereitung und gezielter Unterstützung lassen sich nicht nur die Herausforderungen meistern, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Organisation gewinnen.
2 Sonderprüfungen: Der Ablauf
Sonderprüfungen durch die Bankenaufsicht folgen einem klar strukturierten, aber hochdynamischen Ablauf. Von der Ankündigung bis zur Mängelbeseitigung durchläuft eine Prüfung sechs zentrale Phasen:

Fig 1. Phasen der Sonderprüfung
1. Prüfungsvorbereitung: Unmittelbar nach Ankündigung beginnt das Rennen gegen die Zeit. Stellen Sie ein internes Projektmanagement-Office auf, das Verantwortlichkeiten klar definiert, einen realistischen Zeitplan erstellt und die Verfügbarkeit kritischer Ressourcen sicherstellt. Diese frühe Strukturierung bestimmt maßgeblich den gesamten Prüfungsverlauf
2. Dokumenteneinlieferung: Die Aufsicht fordert umfangreiche Unterlagen an, die fristgerecht und in hoher Qualität bereitgestellt werden müssen. Implementieren Sie eine zentrale Dokumentenablage mit systematischer Versionierung und Qualitätssicherung. Dies gewährleistet nicht nur Nachvollziehbarkeit, sondern verhindert auch kritische Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Abteilungen
3. Interviewvorbereitung: Die gezielte Vorbereitung der Gesprächspartner entscheidet maßgeblich über den Eindruck bei den Prüfern und später die Qualität des Berichts. Durch strukturierte Mock-Interviews und verbindliche Sprachregelungen behalten Sie die inhaltliche Hoheit über den Prüfungsverlauf und vermeiden unnötige Feststellungen durch unkoordinierte Aussagen
4. Interviewdurchführung: In den direkten Gesprächen mit den Prüfern entstehen die meisten Feststellungen. Treten Sie selbstbewusst, aber sachlich auf, während Sie mit Ihrer fachlichen Kompetenz überzeugen. Durch systematische Nachbesprechungen nach jedem Interview dokumentieren Sie zentrale Aussagen
5. Berichtsphase: Hier werden erste Feststellungen sichtbar und die Weichen für den Abschlussbericht gestellt. Implementieren Sie einen strukturierten Prozess zur Validierung der Prüferdarstellungen auf faktische Richtigkeit – auch Prüfer können Sachverhalte missinterpretieren. Eine geordnete Einbindung des Vorstands in diesen Prozess ist unerlässlich und stärkt Ihre Position
6. Mängelbeseitigung und Follow-Up: Bereits während der Berichtsphase sollten Sie mit der Planung und Abarbeitung erster Indikationen beginnen. Entwickeln Sie einen verbindlichen Maßnahmenplan mit klaren Meilensteinen und kontinuierlicher Berichterstattung an die Geschäftsleitung. Die konsequente Einhaltung von Zeitplänen ist kritisch – Ignoranz gegenüber dem Bericht kann zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden für das Institut führen
3 Erprobte Strategien: Die Prüfung souverän meistern
Eine erfolgreiche Prüfung basiert auf Erfahrung und wohl orchestrierten Vorgehen. Die folgenden Best Practices haben sich in der Praxis besonders bewährt:

Fig 2. IT Sonderprüfungen: Ablauf – Best Practices – Self Assessment
Zentrale Koordination
Operation Control Center: Etablieren Sie einen zentralen Koordinationsraum mit täglichen, straffen 15-Minuten-Updates statt zeitraubenden Jour-fixe-Meetings. Besonders in der Prüfungsvorbereitung und während der intensiven Interviewphase verhindert dieses Vorgehen Informationsdefizite und sichert schnelle Entscheidungswege
Zentrales Redaktionsteam: Alle Dokumente und Kommunikation sollten durch ein dediziertes Team auf Konsistenz geprüft werden. Dies ist besonders für die Dokumenteneinlieferung essenziell, zahlt sich aber auch in allen anderen Phasen aus
Klare Rollenverteilung: Definieren Sie von Beginn an verbindliche Verantwortlichkeiten für jede Phase der Prüfung. Etablieren Sie eine strikte Trennung zwischen dem operativen Team für die Prüfungsbearbeitung und Dokumentenerstellung einerseits und der (Senior-) Management-Ebene für strategische Entscheidungen andererseits. Besonders wichtig: Benennen Sie für jedes Interview einen Lead, der die Gesprächsführung übernimmt und einen dedizierten Protokollanten
Dokumentation und Konsistenz
Single-Source-of-Truth: Erstellen Sie eine zentrale Datenbasis mit allen prüfungsrelevanten Kennzahlen und Fakten. Stellen Sie sicher, dass alle Teammitglieder auf dieselben Referenzdaten zugreifen. Diese Basis sollte vor der Dokumenteneinlieferung etabliert und während der gesamten Prüfung gepflegt werden
Interview Tagebuch: Eine lückenlose Dokumentation aller Gespräche, Zusagen und offenen Punkte ist unverzichtbar. Nach jedem Interview sollte eine Nachbesprechung mit allen Beteiligten stattfinden, um Missverständnisse und Widersprüche sofort zu klären
Feststellungs-Dashboard: Sobald erste Hinweise auf mögliche Feststellungen vorliegen, sollten diese zentral erfasst, priorisiert und mit konkreten Verantwortlichkeiten versehen werden. Beginnen Sie mit der Maßnahmenplanung noch während der Prüfung, nicht erst nach Erhalt des finalen Berichts
Vermeidbare Fehler
Ad-hoc/ nachträgliche Dokumentation: Nachträglich erstellte Dokumente werden von erfahrenen Prüfern sofort erkannt. Fokussieren Sie sich stattdessen auf die Qualität und Konsistenz vorhandener Unterlagen
Defensive Haltung: Eine rechtfertigende oder abwehrende Position bei Feststellungen verschlechtert das Prüfungsklima erheblich. Zeigen Sie konstruktive Akzeptanz und proaktive Lösungsbereitschaft
Quick Fixes: Kurzfristige Oberflächenlösungen ohne nachhaltige Prozessanpassungen überzeugen weder die Prüfer noch lösen sie die eigentlichen Probleme. Nutzen Sie die freien Minuten während der Prüfung stattdessen lieber, um die Aussagen der Prüfer vollends nachzuvollziehen sowie die inhaltliche Ableitung zu begreifen, um in der Planung der Maßnahmen den Geist der Feststellung zu treffen
4 Innensicht schärfen: Der Blick durch die Prüferbrille
Ein Self-Assessment versetzt Sie in die Lage der Prüfer und identifiziert Schwachstellen vor der eigentlichen Prüfung. Dazu gehören sowohl Soll-Soll wie auch Soll-Ist Abgleiche im Anbetracht der für das Institut relevanten regulatorischen Anforderungen [z.B. DORA; MaRisk, etc.] Diese kritische Selbstreflexion ist oft unbequem, aber unverzichtbar. Drei Kernaspekte stehen im Mittelpunkt:
Prozess-Forensik – Verfolgen Sie ausgewählte Schlüsselprozesse [z.B. Risiko-management] von Anfang bis Ende durch alle beteiligten Abteilungen. Diese Durchleuchtung deckt Abweichungen zwischen Soll-Prozessen und gelebter Praxis auf – genau das, was Prüfer als Erstes identifizieren werden
Dokumentation – Review – Untersuchen Sie Ihre schriftlich fixierte Ordnung kritisch auf Konsistenz und Aktualität. Achten Sie besonders auf wechselseitige Verweise und potenzielle Widersprüche zwischen verschiedenen, Regelwerken
Governance-Wirksamkeit – Bewerten Sie ehrlich, wie effektiv Ihre Kontrollmechanismen tatsächlich sind. Funktioniert das Three-Lines-of-Defense-Modell wie vorgesehen? Sind Eskalationswege nicht nur definiert, sondern auch praktikabel?
5 Unterstützung: Externe Hilfe schafft Mehrwert
Die erfolgreiche Begleitung einer Sonderprüfung erfordert mehr als nur theoretisches Wissen oder formale Qualifikationen:
1. Praktische Prüfungserfahrung: Experten mit Erfahrung aus verschiedenen Sonderprüfungen kennen die typischen Abläufe und Erwartungen der Prüfer. Diese Kenntnis hilft, Ressourcen optimal zu planen und den Prüfungsablauf zu strukturieren. Sonderprüfungen nach §44 KWG haben in den letzten Jahren einen zunehmenden Fokus auf IT-Themen. Damit wird es immer wichtiger, Expertise sowohl aus Compliance als auch aus der IT verfügbar zu haben. So wie die Prüfer diesbezüglich ihr Wissen weiterentwickelt haben, ist es für die Finanzinstitute bedeutend auch in der „Kern-IT Organisation“ regulatorisches Wissen aufzubauen
2. Institutsübergreifende Best Practices: Externe Berater bringen Erfahrungen aus zahlreichen Instituten mit – ein Wissenspool, der intern nicht verfügbar ist. Diese übergreifende Perspektive ermöglicht den Zugriff auf bewährte Lösungsansätze, die frühzeitige Identifizierung von typischen Fallstricken sowie regulatorischen Schwerpunkte
3. Ressourcenentlastung: Während einer Prüfung erleben interne Fachexperten eine extreme Belastungsspitze. Externe Unterstützung entlastet durch Übernahme von Koordination, Dokumentation und Vor- bzw. Nachbereitung der Prüferinteraktionen, sodass sich die internen Experten auf ihre kritischen fachlichen Beiträge konzentrieren können
6 Fazit: Die Prüfung als Transformationschance
Eine Sonderprüfung ist weit mehr als ein regulatorisches Pflichtprogramm – sie bietet ein einzigartiges Zeitfenster für organisatorische Weiterentwicklung. In unserer Praxis haben wir immer wieder beobachtet, wie gerade durch die intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Prozessen ein institutsweites gemeinsames Verständnis über den Status quo entsteht.
Die Prüfung schafft einen seltenen Moment der Klarheit, in dem Verantwortlichkeiten, Abläufe und Schwachstellen sichtbar werden. Dieses Momentum lässt sich nutzen: Wann sonst werden so umfangreiche Ressourcen für die Verbesserung von IT und Risikomanagement bereitgestellt? Institute, die über bloßes Compliance-Denken hinausgehen, nutzen diese Chance, um strukturelle Verbesserungen zu implementieren.
Der entscheidende Unterschied liegt in der Herangehensweise: Wer die Abarbeitung von Feststellungen nicht als lästige Pflicht, sondern als strategische Transformation entlang definierter Leitplanken begreift – nah am Standard, mit hohem Automatisierungsgrad – erzielt nachhaltige Verbesserungen. Die Sonderprüfung wird so vom potenziellen Risiko zum wertvollen Katalysator für die Weiterentwicklung des Instituts.
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